Gestern Abend fand im Vereinslokal des Atelier Frankfurt eine interessante Gesprächsrunde zum Thema Erinnerungskultur im öffentlichen Raum statt. Eingeladen zu diesem „Kunstsalon“ hatte Christian Kaufmann von der Evangelischen Akademie Frankfurt in Kooperation mit dem Atelier Frankfurt und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main. Die Veranstaltung widmete sich der Erinnerungskultur im öffentlichen Raum unter folgender Fragestellung: Welche neuen (künstlerischen) Formen existieren hier? Aus welcher Perspektive geschieht Gedenken eigentlich in einer zunehmend interkulturell geprägten Gesellschaft? Wie ist der Umgang mit unbequemen oder missliebigen Mahnmalen?
Dr. Ralph Fischer von der Evangelischen Akademie Frankfurt referierte zunächst über Formen des Gedenkens u.a. mit dem Schwerpunkt auf das Gespenstische. Danach stellten drei KünstlerInnen ihre Projekte vor, die sich mit dem Gedenken im öffentlichen Raum befassen. Sie kamen jeweils im Anschluss mit den BesucherInnen der Veranstaltung in anregende Gespräche, die von Christian Kaufmann, Corinna Bimboese und Dr. Snejanka Bauer moderiert wurden.
Vadim Zakharov berichtete über den Entstehungsprozess des „Adorno Denkmals”, das 2003 im Rahmen des Adornojahres (anlässlich dessen 100. Geburtstages) im Auftrag der Stadt Frankfurt am Adornoplatz in Bockenheim errichtet wurde. Spannend waren dabei die Einblicke in die vielen Details der Arbeit und in die aufwändige Untertunnelung des Denkmals. Der unter dem Glaskubus errichtete intime Raum, an dem Adorno aus der Sichtweise des Künstlers arbeitete und durch das Denkmal in die Öffentlichkeit gebracht wurde, ist hermetisch abgeriegelt. Nur über einen unterirdischen Tunnel gelangt das Team, welches immer wieder Teile der Installation ausbessert, reinigt oder erneuert (z.B. die Glühbirne), in den Kubus. Das den Herzschlag Adornos symbolisierende Metronom musste auf Grund der schrägen Aufstellung an der Kante eines Exemplares von Adornos philosophischem Hauptwerk „Negative Dialektik” extra angeferigt werden, damit es auch in der Schräglage „schlägt“. Natürlich war auch die Versetzung des Denkmals in den neuen Universitätscampus ein Thema. Trotz vieler Widerstände und auch zum großen Bedauern des Künstlers wird das gesamte Denkmal demnächst abgebaut und auf dem neuen Gelände der Goethe-Universität errichtet.
Eugen El stellte seine Arbeit „Stele der Erinnerung” in Offenbach vor, die von der Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e.V. in Auftrag gegeben wurde und am 11. Oktober 2012 eingeweiht wurde. Die Stele erinnert an die Gründung der Israelitischen Gemeinde Offenbach im Jahr 1707. Auf der über drei Meter hohen Stele ist der Satz „Wisse, vor wem du stehst.“ auf Hebräisch und Deutsch zu lesen. Die Inschrift ist eine Talmudsentenz über der Tora-Nische der bis 1916 in der Großen Marktstraße beheimateten Offenbacher Synagoge. Der ursprünglich geplante Ort der Platzierung in der Großen Marktstraße musste auf Grund diverser Auflagen der Stadt Offenbach verlegt werden und so fand die Stele ihren endgültigen Platz an der Ecke Große Marktstraße / Hintergasse. Dieser Ort stellt einen besonderen Bezug zu der Stele her: Sie steht nun seitlich der im Rahmen eines anderen Projekts freigelegten Mauer der ehemaligen Synagoge.
Margarete Rabow war die erste Künstlerin, die im Rahmen der vierjährigen Projektreihe des Kulturamts der Stadt Frankfurt mit ihrem Projekt „Störungen und Irritationen im öffentlichen Raum“ im Jahr 2014 an die Geschehnisse im KZ-Außenlager Adlerwerke im Gallus erinnerte. Die zweite Künstlerin der Projektreihe ist im Jahr 2015 Stefanie Grohs. Insgesamt 1600 Stoffbinden, die an zentralen Orten in Frankfurt an Bäumen angebracht sind, erinnern an die 1600 Häftlinge, die im KZ im Gallus interniert waren. Die Binden wurden mit zahlreichen freiwilligen HelferInnen in der Stadt installiert. Im August und September folgen weitere Gedenkaktionen. Durch die Einbindung der Bevölkerung in diese Aktionen und die unübersehbaren Stoffbinden an den Bäumen haben viele Menschen von der Existenz des KZ-Adlerwerke erfahren. Das Projekt ist temporär, vertritt einen künstlerischen Ansatz des Gedenkens und ersetzt natürlich keine fest installierte Gedenkstätte. Eine Gedenkstätte ist eine von unterschiedlichen Seiten gewünschte langfristige Form des Gedenkens. Gedenken sollte jedoch unterschiedliche Formen und Sichtweisen miteinander verbinden; künstlerische und wissenschaftliche Ansätze können einander auch ergänzen. Es ist abzuwarten, wie und ob sich diese Ansätze miteinander verbinden lassen. Das Gespräch darüber ist jedenfalls in Gang gekommen. Und das ist gut so!