Nummer 107505: Stanislaw Bialczyk

Im Konzentrationslager der Adlerwerke wurde er dermaßen schikaniert, dass er dort nur bis zum 30. November 1944 am Leben blieb.

10987579_916488821729342_7692275093786813770_nDiese Aussage stammt von Zbigniew Bialczyk über seinen Vater Stanislaw Bialczyk, der im September 1944 von Dachau in das KZ Adlerwerke deportiert wurde, wo er nur noch knapp zwei Monate lebte. Zbigniew Bialczyk und seiner Mutter gelang es damals, aus einem Transport nach Dachau zu fliehen und beide überlebten. 55 Jahre lang wusste Zbigniew Bialczyk nicht, was mit seinem Vater geschehen war. Er erfuhr erst durch ein Treffen mit anderen Überlebenden in Frankfurt vom Schicksal seines Vaters. Stanislaw Bialczyk ist mit 518 anderen Ermordeten im Sammelgrab auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main beerdigt. Zbigniew Bialczyk ist inzwischen verstorben, aber seine Ehefrau Irena und seine Tochter Beata Nowak haben mir im Januar 2015 den folgenden Brief geschrieben.

 

Sehr geehrte Frau Stefanie,
Ihr Brief hat uns sehr bewegt. Der von Ihnen gemachte Vorschlag ist eine sehr schöne Idee, unserem Großvater und Schwiegervater sowie allen anderen, die in den Adlerwerken ums Leben gekommen sind, zu gedenken.
Wir unterstützen von ganzen Herzen Ihr wunderbares Projekt. Wir bitten Sie darum und stimmen gleichzeitig zu, den Namen Stanislaw Białczyk auf einer Stoffbinde zu platzieren. Ebenfalls stimmen wir zu, die vollständigen Informationen über unseren verstorbenen Großvater und Schwiegervater Stanislaus Białczyk auf der Website über das Projekt zu veröffentlichen. Sein Bild ist beigefügt.
Stanislaw Białczyk wurde am 20. März 1898 in Warschau geboren. Am 12.09.1944 brachten ihn die Deutschen ins Konzentrationslager in Dachau, wo er die Nummer 107505 erhalten hat. Aus Dachau wurde am 27.09.1944 in das Lager Natzweiler-Adlerwerke überführt und erhielt die Nummer 36631. Er starb im Lager am 30.11.1944.
Wir danken Ihnen und allen, die immer noch daran denken und sich mit unseren Nächsten befassen, unseren verstorbenen Großeltern, Schwiegereltern, Ehemänner und all jene, die ihr Leben für unsere bessere Zukunft geopfert haben.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute, Gesundheit im neuen Jahr 2015 und dem Erfolg des edlen und schönen Projektes Adlerwerke. Wenn Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen großen Respekt für Sie und für Ihre Lieben,
Irena Białczyk
Beata Nowak aus dem Hause Białczyk

Foto: Irena Białczyk und Beata Nowak

Post aus Australien

Ein weiterer Überlebender hat sich bei mir gemeldet: Zygmunt Swistak, der heute in Australien lebt und zu den wenigen Männern gehört, die das KZ-Adlerwerke überlebt haben. Er ist kürzlich 90 Jahre (!) alt geworden und hat mir auf meinen Brief per E-Mail geantwortet! In seinem Brief bat er mich, nicht nur seinen Namen, sondern auch den seines Bruders Tadeusz und seines Vaters Florian auf einer Stoffbinde anzubringen. Er wünscht sich immer noch ein kleines “Gedächtnis-Museum”, damit nicht Vergessenheit gerät, was damals in den Adlerwerken geschah. Er hat sich u.a. mit Friedrich Radenbach von der Claudy Stiftung dafür eingesetzt, dass eine Gedenkstätte in den Räumlichkeiten der Adlerwerke eingerichtet wird. Leider gelang dies bis heute nicht.

Er schreibt:

Vielen herzlichen Dank für den Brief, dessen Inhalt ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für mich ist. (…) Im letzten September sind 90 Jahre seit meinem Geburt vergangen. Deshalb freue ich mich enorm, dass dank Ihnen, die Erinnerung an meine Familie, meine Kollegen und 1600 Mitgefangenen noch nicht verloren geht. (…) Dieses Projekt ist meiner Meinung nach großartig. Die Idee ist fantastisch. Jeder Passant wird irgendeine psychische Bedeutung der schweigenden Bäume im Sträflingsanzug eines Häftlings verspüren.
Mein Bruder, Tadeusz Swistak, liegt auf dem Frankfurter Friedhof, in einem Massengrab der 530 Warschauer. Mein Vater, Florian Swistak, und ein Freund von AK (Armia Krajowa, Landesarmee) sind während des Todesmarschs in das KL Buchenwald umgekommen.
Zur Ihrer Frage, was für mich wichtig wäre: Für mich ist es sehr wichtig, die Tatsache zu betonen, dass das Konzentrationslager Katzbach speziell für Warschauer Aufständische von besonderen SS-Einheiten unter dem Befehl der Generalstab der deutschen Armee SS gegründet worden war. Von Warschau wurden 3600 Warschauer am 12.09.1944 in das Konzentrationslager in Dachau befördert. Von Dachau kamen 1000 Männer nach Frankfurt/Main, in die Adlerwerke, in das noch nicht fertige Konzentrationslager “Katzbach”. Die Hauptaufgabe war es, uns in sadistischer Weise zu ermorden.

Obwohl seine Worte auch sehr bedrückend sind, freue ich mich über seine Zeilen und bin voller Ehrfurcht, dass er mir geantwortet hat. Und es bestätigt mir, wofür all diese Arbeit gut ist. Danke, Zygmunt Swistak!

Foto: Zygmunt Swistak, Jugendfoto

Jugendbild Zygmunt Swistak

Post aus Warschau

Im November bekam ich einen Antwortbrief des Überlebenden Andrzej Branecki. Er hat in seinem Brief darum gebeten, dass auch sein Name auf einer Stoffbinde angebracht wird. Auch ist es sein Wunsch, dass die Namen von sieben weiteren Kameraden, die bis auf einen leider schon verstorben sind, genannt werden. Seine Bitte und die weiteren Schilderungen haben mich sehr berührt.

Er schreibt:

Bedauerlicherweise hatten wir nicht in den Schlafkammern übernachtet, sondern in einer Fabrikhalle im dritten Stock. Diese Halle hatte Fenster ohne Scheiben und nicht auf jeder Pritsche lag ein Strohsack. Außer Kälte, Hunger, Krankheiten, Hygienemängel, stachen uns nicht hunderte sondern tausende von Läusen. Dazu noch dieser Lagerältester „Bobi“- ein Gefangener mit einem grünen Dreieck, dem Symbol eines Diebs oder eines Banditen. Er war ein Sadist, der uns mit allen was ihm in die Hände fiel, schlug: einem Brett, einem Stock oder einem Kabel.
Im Lager gab es sicherlich mehr als 1600 Gefangene, da der Gefangenenstand kontinuierlich aufgestockt wurde. Auch ich wurde so um den 25. Januar 1945 aus dem KZ Buchenwald hierhin mit anderen c.a. 400 Gefangenen transportiert. Ich traf hier ein paar andere Kollegen, die nach Frankfurt Katzbach direkt aus dem KZ Dachau kamen und mit mir im September 1944 nach KZ Dachau kamen.
Dies war das schwerste, fürchterliche und schlimmste Arbeitskommando, das ich erlebt habe.
Noch schwerer erlebte ich meinen ersten Todesmarsch von Frankfurt nach Buchenwald. Frankfurt verließen ca. 1000 Gefangene und es sind ca. 350 in Buchenwald angekommen. Der Rest wurde auf dem Weg mit einem Kopfschuss erschossen.

Herr Branecki ist einverstanden, dass ich hier auf der Webseite über ihn und seinen Brief berichte.

Foto: Stefanie Grohs

Brief von Andrzej Branecki