Im Konzentrationslager der Adlerwerke waren die Häftlinge damals geografisch betrachtet mitten unter uns, d.h. unter der damaligen Frankfurter Bevölkerung. Mitten in der Stadt wurden Menschen durch Arbeit und Quälerei vernichtet.
70 Jahre nach der Auflösung des Konzentrationslagers wurde durch die Kunstinstallation MITTEN UNTER UNS die Existenz der ehemaligen 1600 Häftlinge im Frankfurter Stadtbild symbolisch „sichtbar“. Ab Mitte März 2015 erinnerten 1600 gestreifte Stoffbinden an zentralen Orten in Frankfurt daran, dass es in unserer Stadt ein Konzentrationslager gab. Die Stoffbinden wurden mit Hilfe von rund 350 freiwilligen HelferInnen an Bäumen installiert. Am 18. Oktober 2015 wurden sie nach etwa sieben Monaten wieder entfernt und erinnerten somit auch an den Zeitraum, in dem das Außenlager damals existierte. Bäume sind stille Zeitzeugen, die vieles „gesehen“ haben und es dennoch nicht erzählen können. Durch die Stoffbinden wurden sie zum indirekten Erzähler und zum Träger dieser schweren Geschichte.
Der Stoff ließ sich unweigerlich mit der gestreiften Kleidung assoziieren, die die Häftlinge damals in Konzentrationslagern tragen mussten. Auf die Stoffbinden wurden Nummern und auch Namen genäht. Die Nummern stellten keine realen Häftlingsnummern dar, sondern waren fiktiv. Sie nahmen im Gesamtbild, mit einer Bezifferung bis 1600, Bezug auf die Anzahl der Häftlinge und auch die Tatsache, dass menschliche Individuen zu Nummern gemacht wurden. Zwischen all den Nummern befanden sich aber auch reale Identitäten, also die Namen von Häftlingen, welche tatsächlich im KZ-Außenlager Adlerwerke interniert waren. Die Verwendung von Namen und Nummern verdeutlichte zweierlei: zum einen das konkrete Erinnern an bestimmte Personen und zum anderen die brutale Depersonalisierung, die allen Häftlingen widerfuhr.
Das Konzentrationslager
Das im August 1944 in den Adlerwerken eingerichtete Arbeitskommando „Katzbach“ war ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Elsass. Zu diesem Stammlager gehörten damals über 40 Außenlager, davon befanden sich sechs in Hessen.
„Das KZ Katzbach, das waren für uns die Adlerwerke. Es gehörte zu den schlimmsten und schwersten, die ich persönlich erlebt habe.“ - Andrzej Branecki
Mit diesen Worten beschrieb der ehemalige Häftling Andrzej Branecki in einem Filminterview mit Andrzej Falber das Konzentrationslager. Herr Branecki gehörte zu den wenigen Männern, die das Konzentrationslager überlebt haben. Er kam, wie auch der größte Teil der anderen Häftlinge, aus Polen. Kurz vor ihrer Inhaftierung befanden sich viele dieser polnischen Männer noch voller Hoffnung im untergründigen Widerstand und im Kampf für ihr Land. Sie wurden jedoch teilweise schon festgenommen, bevor der Warschauer Aufstand im Oktober 1944 scheiterte. Somit waren die Männer plötzlich mit dem nackten Überleben in einem Konzentrationslager konfrontiert. Schon sehr bald geschah, was die Nationalsozialisten mit dieser Form von Arbeitslagern bezweckte: Die absolut unzureichende Verpflegung, eine katastrophale räumliche Unterbringung, unzumutbare hygienische Zustände, unbehandelte Krankheiten, rücksichtslose Gewalt und extrem harte Arbeitsbedingungen trugen in vollem Ausmaß dazu bei, diese wehrlosen Menschen gezielt durch Arbeit zu vernichten. Die Männer starben durch Erschöpfung, Krankheit, Verhungern und Erfrieren. Häftlinge, denen die Kraft zum Aufstehen oder zur Verrichtung ihrer Arbeit fehlte, wurden geschlagen, zu Tode geprügelt, durch Erschießen oder Erhängen hingerichtet. Diese Zustände und auch ein Bombenangriff im Januar 1945 waren verantwortlich für die auffallend hohe Todesrate im Außenlager Adlerwerke.
Im kurzen Zeitraum von sieben Monaten waren es somit insgesamt rund 1600 Häftlinge, von denen im März 1945 nach der Evakuierung des Lagers, qualvollen Todesmärschen und grausamen Transporten kaum 50 Männer das Kriegsende erlebten.
Weitere Informationen: Häftlinge und Historisches