Häftlinge

Anzahl der Häftlinge
Leben der Häftlinge
Namen der Häftlinge
Die Zeitzeugen erinnern sich

 

Anzahl der Häftlinge

ALTERNATIVTEXT

Abb. 1: Zugänge vom 22.08.1944 aus Buchenwald, Ausschnitt

Häftlingsstand am 10.09.1944

Abb. 2: Häftlingsstand am 10.09.1944

Am 22. August 1944 treffen laut einer Transportliste aus Buchenwald 200 Häftlinge in Frankfurt am Main ein. Damit ist das Arbeitskommando „Katzbach“ als Außenlager des KZ Natzweiler in den Adlerwerken unter der Leitung von Lagerkommandant Erich Franz eröffnet. Die Adlerwerke fordern im September 1944 weitere 1000 Häftlinge als Fach- und Hilfsarbeiter an. Sie sollen z.B. für den Einsatz in der Produktion von Schützenpanzern eingesetzt werden, Schalt- und Lenkgetriebe oder Ersatzteile für Panzer und Kraftfahrzeuge bauen. Mit der Ankunft dieser 1000 Männer aus Dachau am 29. September 1944 sind laut Bestandsaufnahmeliste vom 3. Oktober 1944 rund 1200 Häftlinge im Einsatz. Während die Adlerwerke zum Jahreswechsel 1944/45 den höchsten Bilanzgewinn während des 2. Weltkrieges verzeichnen, ist im Januar 1945 die höchste Todesrate im Lager festzustellen: Am 22. Januar 1945 befinden dort nur noch 744 Männer. Vier Tage später kommen nochmals 167 Männer aus Warschau – vermutlich über das KZ-Außenlager von Daimler-Benz in Mannheim-Sandhofen. Und obwohl am 1. Februar 1945 weitere 225 Häftlinge aus Buchenwald für die Produktion im Lager interniert werden, sind bereits am 12. März 1945 nur noch 874 Männer in der Häftlingsstatistik verzeichnet. Innerhalb weniger Wochen sterben über 260 Häftlinge bzw. werden als krank – und somit nicht einsatzfähig – in „Sterbelager“ transportiert.

Anforderung von Häftlingen durch die Adlerwerke

Abb. 3: Anforderung von Häftlingen durch die Adlerwerke

Namensliste der Häftlinge

Abb. 4: Namensliste der Häftlinge, Ausschnitt

Mitte März 1945 beginnt die Evakuierung des Lagers: Am 13. März 1945 werden etwa 500 Häftlinge in Güterwaggons zum Abtransport nach Bergen-Belsen eingeschlossen. Die Kranken und Sterbenden sind drei Tage eingeschlossen, bevor sich der Zug überhaupt erst in Bewegung setzt und am 23. (!) März 1945 sein Ziel erreicht. Die sehr geschwächten Gefangenen erleiden tagelang unerträglichen Hunger und Durst und bis zu 60 Männer müssen zusammengepfercht in einem Waggon ihre Notdurft verrichten. Nur acht von 500 Häftlingen überleben diesen qualvollen Transport und das KZ Bergen-Belsen.

Transportliste vom 30.01.1945 von Buchenwald

Abb. 5: Transportliste vom 30.01.1945 von Buchenwald, Ausschnitt

Ähnlich dramatisch verläuft der Evakuierungsmarsch nach Buchenwald: Die in den Adlerwerken verbliebenen rund 400 Häftlinge werden am 24. März 1945 in einem brutalen Fußmarsch nach Hünfeld bei Fulda getrieben. Jegliche Anzeichen von Schwäche der Häftlinge während dieses Todesmarsches wird seitens der SS als Anlass zur Tötung genommen. Viele von ihnen legen sich ob ihrer Kraftlosigkeit freiwillig an den Straßenrand und erwarten ihre Erschießung. Mit Güterwaggons werden die Überlebenden von Hünfeld aus in das KZ Buchenwald gebracht, wo noch 280 Menschen lebend ankommen. Die SS treibt sie in einem weiteren Evakuierungsmarsch nach Dachau. Am 27. April 1945 erreichen knapp 40 der Gefangenen aus den Adlerwerken das KZ. Zwei Tage später werden sie von der US-Armee befreit.

Die erschütternde Bilanz dieser Evakuierung ist, dass weniger als 50 Häftlinge sie und das KZ-Außenlager Adlerwerke überleben.

 

Aussage Betriebsrat der Adlerwerke

Abb. 6: Aussage Betriebsrat der Adlerwerke vom 06.08.1947, Ausschnitt

Abb. 7: Vermerk Staatsanwalt Ludwigsburg vom 27.10.1970, Ausschnitt

Leben der Häftlinge

„Es ist nicht einfach, das KZ Adlerwerke zu beschreiben.
Um das alles zu erzählen, müsste man alle fünf Sinne aktivieren:

Hören: Ständige Schreie hörte man.
Fühlen: Man wurde geschlagen.
Schmecken: Hunger, Hunger, immer Hunger.
Riechen: Wir stanken wie Müll.
Sehen: Man sah immer nur dieselben SS-Leute und Kapos.“

Wladyslaw Jarocki beginnt seine Erzählungen in einem Filminterview mit diesen Eindrücken. Ryszard Olek berichtet: „Es war immer so schrecklich kalt. Wir fanden alte Zementsäcke aus Papier und steckten uns diese unter die Kleidung, um uns vor der Kälte zu schützen. Wenn sie das bei einem Häftling bemerkten, richteten sie ein Blutbad an.“

In einem Bericht der Kriminalpolizei Frankfurt vom 6.12.1946 ist Folgendes über das Leben der Häftlinge im Arbeitslager der Adlerwerke zu lesen: „Die Zustände in dem Arbeitslager waren katastrophal und in jeder Hinsicht menschenunwürdig. Es gab ein schlechtes, in Qualität und Quantität völlig unzureichendes Essen, was zur Folge hatte, daß die schon schwachen Körper der Häftlinge ganz verfielen. Die Unterbringung in fensterlosen Räumen, die dünne Bekleidung, ohne jede Möglichkeit, die Wäsche wechseln zu können, die Tatsache, daß das ganze Lager verlaust war und keine Möglichkeit erhielt, sich reinigen zu können, die unzulängliche Verpflegung und der Umstand, daß die Häftlinge bei jeder nur denkbaren Gelegenheit geprügelt, gestoßen und getreten wurden, bewirkten eine über jedes normale Maß weit hinausgehende Sterbeziffer unter den Häftlingen, die sich von Tag zu Tag steigerte und für die Zeit vom 26.10.44 bis 22.3.45 die Zahl von insgesamt 524 Toten erreichte.“

Verantwortliche, wie beispielsweise der Lagerkommandant Erich Franz, gaben in ihren Vernehmungen an, nie etwas davon gehört oder gewusst zu haben. Laut Franz sei es nie zu Misshandlungen durch die SS gekommen, die als unmenschlich bezeichnet werden könnten. Die im Krieg bei den Adlerwerken beschäftigt gewesenen Kriegsgefangenen, ausländischen Arbeiter und Häftlinge wurden mit derselben Sorgfalt und dem gleichen sozialen Empfinden betreut, wie die deutschen Arbeiter und Angestellten.” (Auszug aus der Verteidigungsschrift vom 8.1.1948).

Weder der Lagerkommandant SS-Hauptscharführer Erich Franz, noch sein Stellvertreter, der SS-Unterscharführer Emil Lendzian werden im Nachhinein zur Verantwortung gezogen. Auch der Lagerkoch, SS-Scharführer Martin Weiss ist für seine Brutalität bekannt und vielfache Morde verantwortlich, kommt jedoch ungeschoren davon. Ebenso der Generaldirektor der Adlerwerke Ernst Hagemeier und auch die Personalchefs und Betriebsleiter befinden sich noch nach Kriegsende im Werk und wollen mit der Sache nichts zu tun gehabt haben. Und letztlich stehen auch die damaligen Aktionäre der Adlerwerke, die von dem Einsatz der kostengünstigen Arbeitskräfte profitieren, bis heute nicht in angemessener Weise zu ihrer Mitverantwortung (u.a. Dresdner Bank).

Der ehemalige Häftling Gottlieb Sturm berichtet in seiner Zeugenaussage vom 21. Oktober 1946:

Aussage von Gottlieb Sturm vom 21.10.1946

Abb. 8: Aussage von Gottlieb Sturm vom 21.10.1946, Ausschnitt

 

 

 

 

Namen der Häftlinge

Während der Inhaftierung in den Adlerwerken sterben über 500 Häftlinge. Sie sind auf dem Frankfurter Hauptfriedhof bestattet. In der amtlichen Gräberliste sind 528 Namen verzeichnet. Inzwischen konnten Namens-Dopplungen festgestellt werden: Andrzej Cieslinski – der Sohn des im Gemeinschaftsgrab bestatteten Jan Cieslinski – konnte gemeinsam mit Frau Anna Szeliga nach einem Datenabgleich die Namensliste mit 518 Personen beziffern. Beide sind Mitglieder des Warschauer Kreises der ehemaligen KZ-Gefangenen Dachau-Natzweiler.

Hier finden Sie die Namensliste der auf dem Frankfurter Hauptfriedhof bestatteten KZ-Häftlinge.

Beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen (Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung, Zwangsarbeit sowie den Holocaust) findet man einige weitere Listen im Zusammenhang mit dem Arbeitskommando „Katzbach“/Adlerwerke, in denen vollständige Namen, Geburtsangaben, teilweise Angaben über den Beruf und auch Häftlingsnummern verzeichnet sind. Es handelt sich um Zugangslisten bzw. Transportlisten aus den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald, immer im Zusammenhang mit dem KZ Natzweiler stehend. In diesen Listen sind mehr 1400 Namen genannt, die zu den ehemaligen KZ-Häftlingen der Adlerwerke gehören. Auch von den Adlerwerken selbst gibt es Bestandslisten, in denen über 1000 Namen aus den Transport- und Überstellungslisten bestätigt werden.

 

 

Die Zeitzeugen erinnern sich

Heute, im Jahr 2014, sind es von damals knapp 50 ehemaligen Häftlingen drei Männer, die noch an diese Zeit erinnern können. Dazu gehören Andrzej Branecki, Wladyslaw Jarocki und Zygmunt Swistak.

Die Autorin Joanna de Vincenz (geb. Skibinska) führte im Jahr 2005 Interviews mit den Überlebenden Andrzej Branecki, Wladyslaw Jarocki, Kajetan Kosinski, Jan Kozlowski, Ryszard Olek und Zygmunt Swistak. In diesen eindrucksvollen Gesprächen erinnern sich die sechs Männer an ihre sehr unterschiedlichen Lebenswege, denen sie im Warschauer Aufstand und nach ihrer Befreiung folgten. Kaum ein Unterschied ist jedoch in der Schilderung über die Zeit im Außenlager Adlerwerke wahrzunehmen. Zbigniew Bialczyk berichtet als Sohn des im Gemeinschaftsgrab der Ermordeten aus dem KZ-Adlerwerke ruhenden Vaters Stanislaw Bialczyk. Seine Familie und er versuchten sehr lange, den Verbleib des Vaters aufzuklären. Die folgenden Kurzbiografien und Zitate stammen aus der Publikation.

 

Andrzej Branecki

„Mit Sicherheit haben sie gesehen, dass wir halbtot zur Arbeit erscheinen.“, Seite 58

Geboren 1930. Er war als Schüler Mitglied in einer Pfadfinderorganisation, die mit der Armia Krajowa, der Untergrundarmee der polnischen Exilregierung in London, zusammen arbeitete. Aus dem Warschauer Aufstand wurde er am l2 . September 1944 in das KZ Dachau deportiert und von dort nach Mannheim-Sandhofen, einem Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof/Elsass, „überstellt“. Ende Januar 1945 wurde er in einem Transport von l74 Häftlingen – nach der Abschiebung hierhin wegen Auflösung des KZ Mannheim-Sandhofen – aus Buchenwald in die Adlerwerke „verfrachtet“. Andrzej Branecki nahm am Todesmarsch teil, der ihn am 24. März 1945 von den Adlerwerken in Frankfurt am Main über Buchenwald und Flossenbürg nach Dachau brachte.

 

Wladyslaw Jarocki

„Mitten in einer solchen Stadt wie Frankfurt! Und in diesem Stadtzentrum haben weder ich noch einer meiner Kameraden je das Sonnenlicht gesehen.“, Seite 7

Geboren 1920, Radartechniker. Er kämpfte in der Arrnia Ludowa (AL), der polnischen Untergrundarmee, die mit der Sowjetunion kooperierte. Aus dem Warschauer Aufstand wurde er in das KZ Dachau deportiert, von dort in das Außenlager Mannheim-Sandhofen des KZ Natzweiler-Struthof/Elsass. Aus dem KZ Mannheim-Sandhofen wurde er von Daimler-Benz wieder nach Buchenwald abgeschoben. Von dort gelangte er Ende Januar 1945 in die Adlerwerke. Wladyslaw Jarocki war Teilnehmer am Todesmarsch von den Adlerwerken in Frankfurt am Main nach Buchenwald. Hier wurde er Mitglied des „Polnischen Komitees“. In Warschau arbeitete er nach 1945 im Vorstand des „Verbands ehemaliger KZ-Gefangener“.

 

Kajetan Kosinski

„Gegen Ende des Todesmarsches, nach ein paar Wochen auf den Transporten, war ich schon dermaßen krank, dass ich in einem Dorf hingefallen bin und nicht mehr gehen konnte.“, Seite 107

Geboren 1927, Elektriker. Er kämpfte in der Armia Ludiwa (AL) und kam aus dem Warschauer Aufstand in das KZ Dachau, von dort in das KZ-Außenlager Mannheim-Sandhofen und dann über das KZ Buchenwald Ende Januar 1945 in die Adlerwerke. Kajetan Kosinski war Teilnehmer des Todesmarschs am 24. März 1945 von den Adlerwerken in Frankfurt am Main über Buchenwald und Flossenburg nach Dachau. – Anmerkung: Herr Kajetan Kosinski ist inzwischen leider verstorben.

 

Jan Kozlowski

„Falls sie mich kriegen würden, dachte ich mir, sollte es so weit wie möglich vom Lager entfernt geschehen.“, Seite 113

Geboren 1927, Dreher. Er kämpfte in der Armia Krajowa (AK). Aus dem Warschauer Aufstand kam er in das KZ Dachau und gelangte mit dem Haupttransport von 1000 Polen am 29. September 1944 in die Adlerwerke. Jan Kozlowski überlebte als wahrscheinlich Einziger die Flucht aus den Adlerwerken. Durch schwerste Arbeit ausgemergelt, trotz strengster Bewachung des KZ „Katzbach“/Adlerwerke und trotz mehrerer niederdrückender Fälle von Erschießungen von Geflohenen vor den Augen aller Häftlinge entschloss er sich dennoch zur Flucht. Im April 1945 wurde er aus einem Gefängnis bei Bamberg von der US-Armee befreit. – Anmerkung: Herr Jan Koszlowski ist inzwischen leider verstorben.

 

Ryszard Olek

„Bei diesen Alarmen (Anm.: Luftangriffe) packte der erwähnte Kapo manche Häftlinge am Jackenrevers und schleuderte sie an die Wand. Der Schädel zersprang … “, Seite 135

Geboren 1924. Er war Bote in einem Laden mit Autoersatzteilen und aktiv im Chor einer Kirche, in der jüdische BürgerInnen versteckt worden waren. Er kam aus dem Warschauer Aufstand über das KZ Dachau zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder am 29. September 1944 in die Adlerwerke. Ryszard Olek gelang die Flucht vom Todesmarsch zwischen Flossenburg und Dachau bei Straubing. Dort wurde er von der US-Armee befreit. Nach 1945 war er Puppenschauspieler im „Theater der polnischen Armee“ und Jugendchorleiter. Sein Bruder erkrankte auf dem Todesmarsch an Typhus und wurde von der SS ermordet. – Anmerkung: Herr Ryszard Olek ist inzwischen leider verstorben.

 

Zygmunt Swistak

„Dieses ständige Schlagen! (…) An jeder Ecke stand ein Deutscher mit einem Stock und hat uns angetrieben.“, Seite 155

Geboren 1924. Er war bis zum Kriegsbeginn Schüler. Wahrend der deutschen Besatzung kämpfte er zusammen mit seinem Vater und seinem älteren Bruder zunächst in einem „Verband des Bewaffneten Kampfes (ZWZ)“, der sich später der Heimatarmee anschloss. Er wurde zusammen mit Vater und Bruder während des Warschauer Aufstands in das Übergangslager in Pruszkow eingeliefert. Am 12. September 1944 wurden sie zusammen mit weiteren ca. 3600 Polen nach Dachau und später von dort in das KZ „Katzbach“/Adlerwerke deportiert. Bei der Arbeit an einer Maschine wurde er verletzt und – als nutzlos für die Adlerwerke – am 30. Dezember 1944 in das KZ-Krankenlager Vaihingen und von dort am 25. März 1945 wegen der sich nähernden Front nach Dachau „überstellt“. In Dachau ist er aus einem Leichenhaufen, der schon zur Einäscherung bestimmt war, heraus gekrochen. Er wurde in Dachau von der US-Armee befreit. Nach mehrjähriger Rehabilitation in verschiedenen deutschen Heilanstalten konnte er erst Ende 1948 nach Australien auswandern, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Sein Bruder Tadeusz wurde im KZ „Katzbach“ ermordet und im Sammelgrab der 518 in den Adlerwerken Ermordeten auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beerdigt. Sein Vater war zunächst Soldat der Armee des Generals Haller. Diese wurde 1917 in Frankreich gegründet und 1919 in die polnische Armee integriert. Sie war 1920 am Krieg Polens gegen die Sowjetunion beteiligt. Wegen einer Verwundung trug er einen medizinischen Schutzgürtel, den ihm ein SS -Mann in Dachau entriss. Danach wurde er dort erschossen.

 

Zbigniew Bialczyk

„Im Konzentrationslager der Adlerwerke wurde er dermaßen schikaniert, dass er dort nur bis zum 30. November 1944 am Leben blieb.“, Seite 164

Geboren 1929. Er war Schüler, als er am 7. September 1944 zusammen mit seinem Vater Stanislaw und seiner Mutter aus dem Warschauer Aufstand in das Übergangslager in Pruszkow eingeliefert wurde. Ihm und seiner Mutter gelang es, aus einem Transport nach Dachau zu fliehen. Sein Vater wurde nach Dachau und von dort mit dem Haupttransport am 29. September 1944 in das KZ „Katzbach“/Adlerwerke deportiert. Hier wurde er am 30. November 1944 ermordet. Stanislaw Bialczyk wurde, zusammen mit 517 weiteren im KZ „Katzbach“ /Adlerwerke Ermordeten, in einem Sammelgrab auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main beerdigt. Über das Schicksal seines Vaters hat Zbigniew Bialczyk erst 1999 von den Überlebenden des KZ „Katzbach“/Adlerwerke erfahren. – Anmerkung: Herr Zbigniew Bialczyk ist inzwischen leider verstorben.

 

Der Regisseur Andrzej E. Falber dreht im Jahr 2004 den Film „Zwei Balkone“, in dem die vier Überlebenden Andrzej Branecki, Wladyslaw Jarocki, Jan Kozlowski und Ryszard Olek von ihren Erlebnissen im KZ-Adlerwerke in sehr bewegender Weise erzählen. Auch Zbigniew Bialczyk, der Sohn von Stanislaw Bialczyk berichtet darin. Der Film ist leider nicht im Handel erhältlich, kann jedoch über die Claudy Stiftung oder das Medienzentrum Frankfurt bezogen werden (siehe Quellen).

Seit Mitte der 80er Jahre beschäftigen sich bereits Ernst Kaiser und Michael Knorn mit der Thematik. Was einst als Projekt gemeinsam mit SchülerInnen begann, resultierte in der umfangreichen und langjährig recherchierten Publikation „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten.“, Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken. Die Erstveröffentlichung im Jahr 1994 trug maßgeblich dazu bei, die Tatsachen über die Existenz die Geschehnisse KZ-Adlerwerke aufzudecken. Ohne die Forschungsarbeit der Autoren gäbe es keine fundierte Wissensgrundlage über die Geschehnisse. Man findet im Buch zahlreiche Aussagen von ehemaligen Häftlingen. Die Autoren haben sie durch viele persönliche Gespräche, aus Vernehmungsprotokollen oder auch mit Hilfe von Aufzeichnungen der Überlebenden, in ihrer Publikation verankert. Beispielsweise verfassten Dr. Ryszard Kojer und Zygmunt Kaszmarski  auf der Grundlage von geretteten Tagebuchaufzeichnungen eine detaillierte Schilderung der Erlebnisse im KZ der Adlerwerke. Diese Berichte sind von unschätzbarem Wert, denn sie ermöglichen uns heute eine Rekonstruktion des Terroralltags, dem die Häftlinge ausgesetzt waren.

Der Verein LAGG e.V., Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim setzt sich im Rahmen  seiner 1996 gegründeten Initiative gegen das Vergessen mit der Thematik des KZs-Adlerwerke und den ehemaligen Häftlingen auseinander. Beispielsweise gab es 1993 im Rahmen einer Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof in Anwesenheit von Überlebenden eine Kranzniederlegung; ebenso wurde eine Gedenktafel am damaligen Werksgebäude der Adlerwerke angebracht. Der LAGG setzte sich auch für Entschädigungszahlungen an die Überlebenden durch die Dresdner Bank ein, die als Anteilseigner vom Einsatz der kostengünstigen KZ-Häftlinge profitierte. 1997 wurde auf die Initiative des LAGG ein Gedenkstein auf dem Hauptfriedhof niedergelegt, erneut im Beisein von Überlebenden. Auch dem Verein zu verdanken ist es, dass der Platz gegenüber der Adlerwerke nach zwei ehemaligen Häftlingen benannt wurde, die bei ihren Fluchtversuche auf eben diesem worden waren: Nach Adam Golub und Georgi Lebedenko wurde der Ort Golub-Lebedenko-Platz benannt. 2003 entstand die Webseite www.kz-adlerwerke.de, auf der der Verein seine Erfahrungen und viel Hintergrundwissen zum Thema darstellt. Auch hier finden sich viele Aussagen und auch Reden der Überlebenden.

 

Quellen

De Vincenz, Johanna (geb. Skibinska): „Die letzten Zeugen”, Gespräche mit Überlebenden des KZ-Außenlagers “Katzbach” in den Adlerwerken Frankfurt/Main“, CoCon Verlag Hanau/Claudy-Stiftung (Hrsg.), 2005

Falber, Andrzej E.: “Zwei Balkone”, Film mit Zeitzeugengesprächen, 2004

Institut für Stadtgeschichte, Grünflächenamt 333 (Bestattungsliste)

Kaiser, Ernst und Knorn, Michael: “Wir lebten und schliefen zwischen den Toten.” Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit und Vernichtung in den Frankfurter Adlerwerken, 4. überarbeitete und erweiterte Aufl. 2011, Campus-Verlag Frankfurt/New York

LAGG e.V., Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim, Initiative gegen das Vergessen: www.kz-adlerwerke.de

Abbildungen 1 – 8: Internationaler Suchdienst (ITS/International Tracing Service) Bad Arolsen, Quellendetails